Teresa Lorenzi
Teresa Lorenzi (Tesa Chenòpa) was a seamstress and poet from Ampezzo. She was married to Beniamino Da Col and remained childless. In 1962, she moved to Borca in Cadore. Shortly before and after World War II, she wrote critical and ironic poems about politics and society of those years, expressing what many citizens felt. In the poem La fu Magnifica Comunità d’Ampezzo (1939), for example, she strongly criticizes the mismanagement of the Magnifica Comunità and laments the deforestation of the woods and the accumulation of debt related to the construction of the big ski jump in Cortina. In the same poem, she names individuals and their specific mistakes. Due to their controversial nature, these poems were only published later on.
Se tornase i noštre vece
1. I noštre vece i à pensà
de mandà a reede i dane;
i à tirà a sorte e i à tocià
a Min de Tone de Joane.
2. Dapò póco ‘l é tornà,
meşo morto meşo şu,
a ra so şente el i à contà
duto chel che ‘l à vedù.
3. Duta Cortina r’é canbiada,
‘l é na beleza, na mereea,
d’inverno ‘l é ra roşada
e d’ištade el gneeghea.
4. ‘L é vegnù su chi da Belun
e daparduto i à šlargà,
inz’i alberghe, inze Comun
e finamai ‘ze porteà.
5. I à taià dut’i brašoi
parché i bošche i no n’é biei;
i à martelà anch’i beduoi
e ra piantes d’i brušiei.
6. El noš laoro i lo desfeš,
i à bicià şò dut’i toulas,
al so pošto ‘l é boteghes,
‘l é cafès e ‘l é garaš.
[…]
62. Aé meo vin şi, finché son calma,
e dijei al diou che co me štizo,
che par cuanto el see in ganba,
par me ‘l é senpre masa pizo.
Wenn unsere Alten zurückkehrten
1. Unsere Alten dachten,
jemanden zur Kontrolle der Schäden zu schicken;
es wurde ausgelost, und es traf
Min de Tone de Joane.
2. Nach einer Weile kam er wieder zurück,
kaputt und halb tot,
und erzählte seinen Leuten,
was er alles gesehen hatte.
3. Ganz Cortina hat sich verändert,
es ist wunderschön, zum Staunen,
im Winter haben wir Tau
und im Sommer schneit es.
4. Es sind die von Belluno gekommen
und haben alles erweitert,
in den Hotels, im Gemeindehaus
und sogar auf dem Friedhof.
5. Sie haben alle Bäume gefällt,
denn die Wälder sind nicht schön;
sie haben auch die Birken geschlagen
und die Preiselbeerstauden.
6. Unsere Arbeit zerstören sie,
sie haben alle Heustadel abgerissen,
an ihrem Platz sind Geschäfte,
Kaffeehäuser und Garagen.
[…]
62. Ihr tut besser zu gehen, solange ich noch ruhig bin,
und sagt dem Teufel, dass er, wenn ich mich ärgere,
so tüchtig er auch sei,
für mich immer zu klein sein wird.
funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 520.
Tes(c)tamento
1. Cortina re deventada na babilonia
e io no me sento pi segura
le morto fora r’erba bona
e le resctà solo ra sartura.
2. E intrà duta chescta zuoia
se no tas ra tescta intrà ra rees
i te po anche fei ra foia
e te cazà intrà quatro brees.
3. A zi inaante no me sento
e a tienì duro no me zoa
coscì fegio tesctamento
e lascio a dute o poco o nuia.
4. Ma, par ae’ ra me sosctanza
vardà ben, vel digo ignante
aede chel tanto de cosctanza
da scpetà che tire i quarte.
[…]
7. A chera quatro tesctes de len
che disc sempre mal de dute
i lasciarei el me palegren
che i sconde via i so difete.
[...]
11. Ra tescta con duto inze
i ra lascio a i avocate
che s’i ra perde o che i ra venze
par magnà fora i e come mate.
[...]
18. A i brandui i lascio dito
a cheres che no se sctufa,
pitosc che un bon marito,
le sempre meo ciapà ra mufa.
[...]
20. A ra vedoves si disc
ch’es pare via el so magon
che avé l’on in parasis
le come aé vento un bon milion.
[...]
22. Ra me sciopa inrosinida
i ra lascio ai cazadore
a condizion ca see fenida
de copà giate e vende liore.
[…]
40. E a mi che digo ra verità
i sarae pronte chi de comun
a me voré ricompensà
co n’a corda e un toco de saon.
41. Ma ve digo che no m’importa
anche co ra bocia ben sctopada
ancora meza ora dapò morta
i pos molà na pe…da.
Testament
1. Cortina ist gleich Babylon geworden,
und ich fühle mich nicht mehr sicher,
das gute Gras ist ausgestorben,
und es ist nur das Unkraut übrig geblieben.
2. Wenn Du in diesem ganzen Durcheinander
deinen Verstand nicht zusammen hältst,
können sie dich auch betrügen
und dich in vier Sargbretter legen.
3. Ich schaffe es nicht weiter zu leben,
und hart zu bleiben hilft mir nichts,
so mache ich mein Testament,
und hinterlasse allen wenig oder nichts.
4. Doch um an meine Habe zu gelangen,
gebt Acht, ich sage es euch im Voraus,
habt die gebührende Geduld,
meinen Tod abzuwarten.
[…]
7. Den vier Holzköpfen,
die ständig alle in den Schmutz ziehen,
hinterlasse ich meine Schürze,
damit sie ihre Fehler darunter verstecken können.
[…]
22. Meinen Kopf mit dem gesamten Inhalt
hinterlasse ich den Anwälten,
denn, ob sie gewinnen oder verlieren,
stets sind sie darauf versessen, andere auszubeuten.
[…]
28. Den alten Jungfern hinterlasse ich die Botschaft,
und zwar denen, die sich nicht langweilen,
anstatt eines „guten Ehemannes“
ist es immer noch besser zu verschimmeln.
[…]
20. Den Witwen sagt man,
dass sie ihren Kummer beiseite legen sollen,
denn den Ehemann im Paradies zu haben,
ist wie eine gute Million gewonnen zu haben.
[…]
22. Mein verrostetes Gewehr
hinterlasse ich den Jägern,
mit der Bedingung, dass damit Schluss sei,
Katzen zu töten, aber Hasen zu verkaufen.
[…]
40. Und mich, die ich die Wahrheit sage,
wären die Gemeindeassessoren
bereit zu belohnen
mit einem Strick und einem Stück Seife.
41. Doch ich sage euch, es ist mir egal,
denn auch mit völlig verschlossenem Mund,
eine halbe Stunde nach meinem Tod,
kann ich noch einen fahren lassen.
funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 522-524.