Riccardo Gabrielli del Biel
Riccardo Gabrielli, born in Colac, was a draughtsman with extensive knowledge and a strong interest in the birds and animals of our valleys, which he used to have stuffed. He also developed a camera to document nature. In the 1930s he began with drawing, carefully observing the creatures around him. He produced very precise and careful drawings, in total about 140 miniatures of animals and more than 300 plants. These wonderful reproductions were published in two books by the Union di Ladins de Fodom: Uciei da Fodom and Erbes, flou y plánte de Fodom. Additionally, the writings in rhyme concerning existential themes in the past must be mentioned. In these works, he was able to convey the essence of a simple and sincere life.
L’an 72
En di a ŝi per strada
pensave le mpò pase cal ruo an
el freit e ploia nolè desmentiada
e puoch sorogle da fè dan.
M puoro vegle è arsont
che dut gòbo e zotinan
pasava soura mont
come chi veci dan zacan.
Po bèrba còpa còsi darene?
a nome cugnaseto plu ncuoi?
con duc i mostri che è ciape
tant che è fat, son l an 72.
A vè, ades ve cugnase si,
diseme ci eiŝomo pense
valo plaŝu a fè cosi?
gnanca el temp a fat bonte.
Ei fat vigni ploia fòra saŝon
e diste freit e fat vigni nei
on porte fen mèrc nte maŝon
e i sansòni debòta glacèi.
O tosat ci chèro che tes
none plu come nzacan e
cialie al mondo da ades
fè dart al sior, ale ale, al bacan.
Tosat veigheto ci nvenzion
i cambia el cuor e ence la testa
percal degugn ntan reŝon
i vòl puoch laore demè fè festa.
Nveze den navant i va nzescul
e duc volei fè ci che volei
bat la sela co no podei bate l mul
e come la ŝira volompa vedei.
Ci vali porte davant miei fradiei?
dut el ben che ia podu
vace, cioure, biese e porciei
da vive en pès e duc a godu.
Duc, del puoch che chersava
òrde e sansòni alegri i vivava
i tirava ale chèrte e i ciantava
e cola no siva ben i periava.
Con gragn laour dut lan siva cosi
del rest i no se rompiva la testa
che coi diŝava ŝon leva da ŝi
e la Domania i faŝava pròpio festa.
Ades machine e còrde dut va per aria
e cosi de bele strade mèi bu
daògni pèrten ven na ciaria
e tant i cor che a cèsa noi rua plu.
Daperdut pruns i volasa rue
ence sula luna a ciale ŝu
e tò en sach de sas che on da ien de
tante de ste masiere da porte sù.
Son strach mose te di sarevede
vèlch è fat ma ncuoi no sova nia
se no stei ben cosi comedeve
ma ei la testa che no tòl plu ite nia.
Das Jahr 1972
Als ich eines Tages meines Weges ging,
dachte ich mir: das harte Jahr ist nun doch vorüber,
Kälte und Regen habe ich nicht vergessen,
und wir hatten wenig Sonne, zu unserem Schaden.
Ich holte einen armen Alten ein,
der bucklig und humpelnd
über den Pass ging
wie unsere alten Vorfahren.
Aber Herr, wieso sind Sie so zermürbt?
Ach, kennst du mich heute nicht mehr?
Bei all den Übeln, die es gab,
und die passiert sind, bin ich doch das Jahr 1972.
Ach ja, jetzt erkenne ich Sie,
sagen Sie, was haben Sie sich dabei gedacht,
hat es Ihnen gefallen, so zu handeln?
Nicht einmal das Wetter war gut.
Sie haben den Regen nur außerhalb der Saison geschickt
und im Sommer Kälte und Schnee,
wir haben faules Heu in den Stadel gebracht,
und die Kartoffeln sind sofort erfroren.
Oh mein Junge, wie komisch du doch bist,
s ist nicht mehr wie damals,
schau dir doch die heutige Welt an, wie kann ich
den Gästen, den Frauen und den Bauern alles recht machen.
Siehst du, mein Junge, welch eine Erfindung,
sie tauschen das Herz und auch den Kopf aus,
deshalb sind sie alle dickköpfig,
sie wollen wenig arbeiten und nur noch feiern.
Anstatt vorwärts zu gehen, schreiten sie rückwärts,
sie machen sowieso, was sie wollen,
und vertreiben ein Übel durch ein anderes,
und wie dies enden wird, werden wir erst sehen.
Was hatten euch meine Brüder vorher gebracht?
Alle guten Dinge, soweit sie konnten:
Kühe, Ziegen, Schafe und Schweine
für ein friedliches Zusammenleben mit Freude.
Mit den kleinen Erträgen
der Gerste und Kartoffeln lebten alle glücklich,
sie spielten Karten und sangen,
und wenn etwas schief lief, beteten sie.
Mit viel Arbeit verging so das Jahr,
über andere Dinge zerbrachen sie sich nicht den Kopf,
denn wenn es hieß: gehen wir, musste man gehen,
und der Sonntag wurde wirklich geheiligt.
Heute fahren Maschinen und Seile durch die Luft,
und so schöne Straßen hatten wir noch nie,
aus allen Richtungen kommen Leute,
und alle haben es so eilig, dass sie nicht mehr nach Hause kommen.
Überall wollen sie als erste ankommen,
auch auf dem Mond, um herunterzuschauen
und einen Sack Steine mitzunehmen, dabei hätten wir so viele
Geröllhalden, die man hinaufbringen sollte.
Ich bin müde und muss auf Wiedersehen sagen,
etwas habe ich gemacht, doch hat es jetzt keinen Sinn mehr,
wenn ihr euch nicht wohl fühlt, ändert euch,
doch mein Kopf nimmt nichts mehr auf.
funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 1228-1229.