Luigia Lezuo
Luigia Lezuo war eine Lehrerin und Kulturförderin aus Colle Santa Lucia. Die Bedeutung ihrer Heimat als Inspirationsquelle für ihre Kreativität lässt sich aus ihren Schriften ableiten, die sich mit dem einfachen Leben sowie der ladinischen Geschichte und Identität auseinandersetzen. Zum Beispiel in dem Gedicht Impirai sun sta gran riva. Lezuo schrieb in Fodom aus Col Gedichte und Komödien zu Themen wie Heirat, Traditionen, Legenden und anderen Geschichten ihrer Heimat. Ein Teil ihrer Werke wurde in dem Buch T es bél o Kol dañòra veröffentlicht. Als Lehrerin vermittelte Lezuo ladinische Werte in einer Zeit, in der die ladinische Kultur durch die nationalistischen Ideen des Faschismus zerstört wurde.
Tita l è śu a krepe
Ma perčé fasto sta zéfa?…
L asto propio su kon mi? –
– Pu no no, ma sasto, Fefa, –
l e śu a krepe e no n pòs pi.
Me kruzìe, me fastidièe,
ğire, ğire kome n mat…
L e n bel tòk ke skufetèe,
ma no vede nia de fat.
Pense saldo a kel puóre Tita
impirà su per sti kròz
e me ven la pel de pita
e me trema inča l barbóz.
E Dio vàrde ke no l sbrise…
či suzédelo se no?
ke ste krode é tanto slise,
se valk móla… pensa mó!
En mort, na vedua grama
e trei òrfeñ da arlevà…
kanke enkuói valguñ me čama
me da n ślàe… elo tomà?
E i tośàč se sa i se gode
a se pare i fa darè…
i va su su per ste krode
pi konténč del pi gran re.
Se i tirase darè mare
no i volese no insavè,
ma spudai i è duč sa pare…
mi me toka me kruzié.
Inča nkuói i e śui auna
su su l Beko de l Meśdì…
Kanke i liave śu nte kuna
ave zèrto pi biei di.
Ma se i piaśe tant ste krode,
i se n vade su n sti prai…
e i stai propio a se le gòde
in ventrón, ben stravakai.
E i le vede béle čare
kon le nìole o ko l čapél…
e, davànt ke l di se sare,
l i é da n ros ke l e tant bél.
Siori no… boña śi in zima…
bel su dèrt da ruinà l kuór…
e po i dis, a bela prima
ke lasù i sent el Siñór.
Prova n di, va su kon lori…
pòl éster vera kel ke i dis…
Ve, lasù, kres ki biei fiori Schau,
ke i ven śu dal Paradìs.
Tita ist bergsteigen gegangen
Warum machst du so ein Gesicht?…
Bist du mir böse? –
Aber nein, doch du musst wissen, Fefa,
er ist bergsteigen gegangen, und ich halte es nicht mehr aus.
Es beunruhigt mich, und ich mache mir Sorgen,
ich gehe wie eine Verrückte umher…
Ich erledige schon die längste Zeit die Hausarbeit,
doch es geht nichts weiter.
Ich denke andauernd an den armen Tita,
der in den Felswänden hängt,
ich bekomme Gänsehaut,
und es zittert mir auch das Kinn.
Ach Herr, gib Acht, dass er nicht ausrutscht…
was würde sonst passieren?
Denn die Wände sind so schlüpfrig,
wenn ein Stein weg bricht… bedenke doch!
Ein Toter, eine verzweifelte Witwe
und drei Waisen, die zu erziehen sind…
wenn mich heute jemand ruft,
erschrecke ich… ist er abgestürzt?
Und die Kinder genießen es,
sie machen es dem Vater nach…
sie gehen hoch hinauf in die Felsen
und sind glücklicher als der mächtigste König.
Wenn sie der Mutter ähneln würden,
würden sie nichts davon wissen wollen,
doch sie sind dem Vater gleich…
und ich muss mir Sorgen machen.
Auch heute sind sie gemeinsam aufgebrochen,
auf den Beco de l Mesdì…
Als ich sie noch in der Wiege hatte,
waren meine Tage natürlich leichter.
Aber wenn ihnen die Berge so sehr gefallen,
sollen sie doch auf die Hochalmen steigen…
und es sich dort gut gehen lassen,
auf dem Bauch liegend, schön ausgestreckt.
Sie würden sehen, wie schön sie sind
mit den Wolken oder einem Hut…
und bevor der Tag zur Neige geht,
sind sie so rot, dass es eine Freude ist.
Aber nein… man muss bis auf die Spitze klettern…
gerade hinauf, dass einem das Herz bricht…
und dann sagen sie, dass man früh am Morgen
dort oben den Herrgott hört.
Versuche es doch einmal, geh mit ihnen…
vielleicht sagen sie die Wahrheit…
dort oben wachsen ja auch die schönen Blumen
aus dem Paradies.
funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 1220-1221.