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Ivan Senoner

Geburtsjahr 1978
Ort Wolkenstein
Form Personen
Medium Schreiben
Sito web www.ivansenoner.com

Ivan Senoner ist ein ladinischer Dichter. Er unterrichtet ladinische Kultur an der Mittelschule in Wolkenstein. Zu seinen bekanntesten Werken zählen: La ueia de pië via (Kurzroman, 2004), Dumbries de Col de Flam (Drehbuch zur gleichnamigen Verfilmung, 2007), Tré l’ega (Roman, 2008), L fova n iede te Gherdëina (historischer Roman, 2012), Fabio - na storia plëina de tëma y fobies (Hörbuch in Zusammenarbeit mit Tobias Dellago, 2014) und L Testamënt dl Lëuf (Roman, 2020). Mit seinen Werken hat er zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den ersten Platz beim Wettbewerb Scribo 2018. Ivan Senoner ist außerdem ein Gründungsmitglied des mehrsprachigen Satiremagazins Puhin. Außerdem arbeitet er für verschiedene Fernseh- und Radiosendungen der RAI Ladinia (La Copa dal Café, Scenar und Deboriada) und schreibt für die Wochenzeitung La Usc di Ladins.

La ueia de pië via

Nzaul ovel liet che de nuet rejona la persones plu saurì una cun l’autra y bel mpont, tan de amores fova pa nascui sota l linëus fiach dla luna, ma tanc fova pa nce finei, finei per for, finei per deventé n lecort. De nuet rejonen miec, ëssen rujenà miec… l nchersciadum de Paul fova deventà na sort de malatia y ël, sciche la gran pert di amalei, ova mparà a la azeté, a la traté sciche na jocera ncompra, da chëla che n ne possa nia plu se delibré. […] (Senoner 2004, 27)

Er hatte irgendwo gelesen, dass die Menschen nachts leichter miteinander sprechen, und tatsächlich, wie viele Lieben waren doch im schwachen Mondesschein geboren, aber wie viele sind auch zu Ende gegangen, für immer zu Ende, um eine Erinnerung zu werden. Bei Nacht spricht es sich leichter, hätte es sich leichter gesprochen… das Heimweh von Paul war eine Art Krankheit geworden und er, wie die meisten Kranken, hatte gelernt, sie zu akzeptieren, und sie wie eine lästige Schwiegermutter, von der man sich nicht mehr befreien kann, zu behandeln. […]

Uni di daduman levi cun la mprescion de vester te n zoo. Vënie curà, i me dà da maië y vel’un se dà nce ju cun mé, ma te ch’sta gabia me vëniel dant sciche sce ufendësse la vita, si marueia, si spirt. […] Canche te ruves a na cërta età, y ie é abù la fertuna de ruvé, es l privilegh de udëi dut da n’autra prospetiva. L semea sciche sce Die te ebe dat si rola per scuvrì uriteies ascundudes, cosses che nianca tu nstës ne ësses dat pro canche te foves mo bon y sterch. […] (Senoner 2004, 40–41)

Ich erwache jeden Morgen mit dem Gefühl, in einem Zoo zu sein. Ich werde gepflegt, gefüttert, und man beschäftigt mich, doch in diesem Käfig habe ich das Gefühl, das Wunder und den Geist des Lebens zu beleidigen. […] Wenn du ein gewisses Alter erreichst, und ich hatte dieses Glück, hast du das Privileg, alles aus einer anderen Perspektive zu sehen. Es scheint, als ob dir Gott sein Fernrohr gegeben hätte, um versteckte Wahrheiten zu entdecken, Dinge, die du dir nicht einmal selbst eingestanden hättest, als du noch gesund und stark warst.[…]

L ti cialova ala bela natura che se prejentova dan si uedli, l Scilier, patron maiestëus dl urizont plën de culëures sciche la plata dala forbes de n pitëur renascimentel, l Saslonch, n mescedoz de forzes y de sensibltà geometrica, sciche na poejia de Pablo Neruda… Sasplat, devot y pazient sciche na tartaruga che plan ma cun custanza se tira sun l vënter de vieres dl mer y co sëuraudëi la mont de Resciesa? N mosaich de pitla balarines vërdes furnides cun tutus blanc… […] (Senoner 2004, 65)

Er betrachtete die schöne Natur, die sich seinem Auge bot. Der Schlern, majestätischer Herr des bunten Horizonts wie eine Farbpalette eines Renaissancemalers, der Langkofel, ein Gemisch aus Kraft und geometrischer Feinfühligkeit wie ein Gedicht von Pablo Neruda… Plattkofel, andächtig und geduldig wie eine Schildkröte, die sich schön langsam, aber ausdauernd auf dem Bauch in Richtung Meer schleppt, und wie soll man die Raschötzeralm übersehen? Ein Mosaik grüner Balletttänzerinnen mit weißen Röckchen… […]

… l amor per Mily fova sciche na cales trata da ciavei salveresc per ël, na cales ulache ël ne ova nia for la lozoles tla man, na cales che se n piova mpue ulache l ti savova. (Senoner 2004, 28)

.. die Liebe zu Mily war für ihn wie eine von wilden Pferden gezogene Kutsche, bei der er nicht immer die Zügel in der Hand hielt, eine Kutsche, die dahinfuhr, wohin sie wollte.

La vedla ciacules se ova ntant cufà adum sciche na dredia de curnacins […] (Senoner 2004, 45)Die alten Klatschweiber haben sich inzwischen wie eine Schar Alpendohlen zusammengehockt […]

… mi cuer bat n armunia cun l zitré dla fueia, … (Senoner 2004, 37)

… mein Herz schlägt in Einklang mit dem Erzittern des Laubes, …

… s’la rijan sciche te n retlam dla Barilla (Senoner 2004, 67)

… lachend wie in einer Werbung für Barilla-Nudeln.

funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 765-766.


Tré l’ega. Na lijënda moderna

[…] N inviern muvimentà, canche Carlo fova per l prim iede ruvà tla valeda ai piesc dl Saslonch. L fova i ani ulache i scioldi sbrisciova ite te fuia sciche na purcina sun na brëia de lën, unfat sce artejan, buteghiere, artist o ferlëigher y nce Carlo ne ova nia messù fé culëtes da malan per pudëi se cumpré la pitla bar tl zënter. Sambën sponsoriseda da si berba, che ti cialova bele giut ala carotes da sot su. […] (Senoner 2008, 32)

[…] Es war ein betriebsamer Winter, als Carlo zum ersten Mal ins Tal am Fuße des Langkofels gekommen war. Es waren jene Jahre, in denen das Geld wie eine Speckschwarte auf einem Holzbrettchen in die Tasche flutschte, egal ob Handwerker, Kaufmann, Künstler oder Verleger, und auch Carlo hatte sich nicht übernehmen müssen, um die kleine Bar im Zentrum kaufen zu können. Natürlich von seinem Onkel gesponsert, der schon seit langem die Karotten von unten betrachtete. […]

Povester fova chësc l sucrët dla vita. Ne mëter nia la bela y la burta ntraunides dla vita sun stadiera y pesé ora da ce pert che la pond, ma avëi l curaje y l atejamënt positif de tré l’ega, canche l suzed zeche che nes desplej. Mé chi che fova boni de tré l’ega, de desmincé, de scumencé da nuef, de perduné, sëuravivova, no… vivova te chësta vita. (Senoner 2008, 211)

Vielleicht war dies das Geheimnis des Lebens. Die schönen und die hässlichen Ereignisse des Lebens nicht auf die Waage zu legen und abzuwiegen, um zu sehen, ob die eine oder die andere Schale sich senke, sondern den Mut und die positive Eigenschaft zu haben, fortzuspülen, wenn uns etwas Unangenehmes passiert. Nur wer in der Lage war, das Wasser hinunterzuspülen, zu vergessen, neu zu beginnen, zu verzeihen, überlebte, nein… lebte in diesem Leben.

funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 767-768.



L fova n iede te Gherdëina

L’ ëures de suenn che ti fossa unides a mancia cun n tel fantulin che ëssa brià duta nuet, fova nsci deventedes i mumënc te chëi che l se studiova ora la strategies per spiculé tla borsa. Frankfurt ne fova per ël nia la zità cun l verzon zoologich, New York nia chëla cun l puent de Brooklyn, Milan nia chëla cun l bel dom y Londra nia chëla cun l palaz de Buckingham. L fova i posć ulache si scioldi univa ora dl paiuel dla stries, ulache ël i ova metui ite, valan mo ntant. L ne n’ova nia fat de gran scoles de economia, ma l ova ancuntà la drëta persones. Una de chëstes fova stat Felice, n seniëur da catif y da maniera che l ova mparà a cunëscer fajan l maester de schi. L ova tlecà n valgun’ ancuntedes al après ski, blandedes da Dom Pérignon, n doi statues zipledes a mascin scinchedes y l fova bel unì nvià ju da Felice a cësa per l instà. (Senoner 2012, 74–75)

Die schlaflosen Nachtstunden, die ihm mit einem nächtelang brüllenden Kleinkind verloren gegangen wären, waren somit jene Augenblicke geworden, in denen er die Spekulationsstrategien an der Börse studierte. Frankfurt war für ihn nicht die Stadt des Tiergartens, New York nicht jene der Brooklyn Bridge, Mailand nicht jene des schönen Doms und London nicht jene des Buckingham Palace. Es waren die Orte, an denen sein Geld aus dem Hexenkessel floss, den er aufgefüllt hatte und in dem es seinen Wert verdoppelte. Er hatte nicht Wirtschaftsstudien betrieben, aber er hatte die richtigen Leute getroffen. Einer davon war Felice, ein eleganter und höflicher Herr, den er während seiner Schilehrerzeit kennengelernt hatte. Es genügten einige Treffen im Après-Ski, Trinkabende mit Dom Pérignon, zwei mit der Maschine geschnitzte Statuen als Geschenk, und schon wurde er im Sommer darauf von Felice zu ihm nach Hause in den Süden eingeladen.

funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 769.


PI GRECH

Uedli che gota dala marueia,
iust dat sëura y l frëit te fej bel zitré sciche
na fueia.
Fulestiera ch’sta vita, feter l mond sajiëul
tl anonimat dl tëmp, naufragà dassëul.
Purempò tan’ tëut dal istint che nesindirizea,
da n rì tla nuet scura, che varëj uni plea:
N var, pona doi, pona trëi… dut à
scumencià,
cie bel, duc tl desert, te dijerà ulache n va!
Per po’ bel plan capì che te es n cë chespriza
ideies,
ma che cun si raziunalità blanda la ravisadas
dla deficulteies
y ntan che te fejes cumpani dlacunsapuvelëza
sciche n arani se sgravedea su per te la tristëza.
Te rëndes cont che danter pusciblteies y destin
tla nasciuda ie bel laite l embrion dla fin,
n cërtl ont che mei zed de se raidé,
sibe rë che fant, ne se possa nia delidé.

Uedli che gota dal teror,
te ne la posses la slungé, nianca cun l or.
L dutor gobe ora de majon se n ie jit
na rissa plata sun l monitor fej śënbeeeeeeeep,
i te lecurderà mo n iede, liejan l testamënt
y pona sfanteres, sciche n pët tl vënt.
Chëla dal mantel fosch y si fauc, te à belnvià l’es’a nuzeda cun ntensità ?

Tränende Augen vor Erstaunen,
gerade erst angekommen und die Kälte lässt
dich bereits wie eine Pappel erzittern.
Fremd dieses Leben, eigenartig die mürrische Welt
in der unpersönlichen Zeit, einsam gestrandet.
Trotzdem erfasst vom Instinkt, der uns leitet,
von einem Lachen in dunkler Nacht, das jede Wunde heilt:
Ein Schritt, dann zwei, dann drei… alles hat begonnen,
wunderbar, alle werden dir in der Wüste den Weg weisen!
Um dann langsam zu begreifen, dass du ein
Ideen sprühendes Hirn hast,
aber mit seiner Rationalität die Wurzel
aller Schwierigkeiten benetzt,
und während du dich mit dem Bewusstsein anfreundest,
kriecht die Traurigkeit wie eine Spinne an dir hoch.
Dir wird bewusst, dass zwischen Möglichkeiten und Schicksal
der Embryo des Endes bereits in der Geburt liegt,
ein schmieriger Kreislauf, der sich immerzu dreht,
weder König noch Knecht können sich davon befreien.

Tränende Augen vor Angst,
du kannst es nicht einmal mit Gold verlängern.
Der Arzt ist gebückt aus dem Zimmer gegangen,
ein gerader Strich auf dem Monitor macht jetzt beeeeeeeep,
sie werden bei der Testamentverkündung noch einmal an dich denken,
und dann wirst du wie ein Furz im Wind verfliegen.
Der Sensenmann mit dem schwarzen Mantel hat dich schon eingeladen,
hast du das Leben auch richtig ausgenutzt?

funtana: Rut Bernardi/Paul Videsott, Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (Scripta Ladina Brixinensia III), Bulsan 2014, pl. 771.



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